Ich habe mich lange nicht gemeldet. Mit meiner Zeit in Italien war die Pünktlichkeit wohl die erste der deutschen Tugenden, die sich verabschiedet hat. Dennoch gilt: „besser spät als nie“ und so habe ich mir endlich die Zeit genommen, euch einen Zwischenbericht von meiner bisherigen Zeit in Mailand abzufassen. Nachdem ich sehr harte erste zwei Wochen hatte, ist nun seit letztem Donnerstag der langersehnte Alltag eingekehrt. Dass mir die ersten zwei Wochen beinahe sämtlichen Nerv geraubt haben, ist vor allem darin begründet, dass ich mich vom frühen Morgen bis zum späten Abend tagtäglich um den Kleinen gekümmert habe. Die Kita, in die er seit diesem Sommer geht, schmeißt gerne mal spontan am Morgen alle Pläne durcheinander und verlängert die Eingewöhnungsphase ohne Absprache um noch einen Tag. So kam es dazu, dass ich ihn mal um 11, mal um 12, mal um 13 anstatt um 16 Uhr abholen musste und folglich sämtliche Pläne canceln durfte. Die ganze Situation hat mich kaum mal aufatmen lassen und da noch gewisse weitere Faktoren das Einleben etwas erschwert haben, habe ich mir ans Herz gefasst und das Gespräch mit meiner Gastmutter gesucht. Die Entscheidung, ihr kundzutun, was mich stört, war die beste, die ich seit Langem getroffen habe. Schon am nächsten Tag ging mir alles leichter von der Hand. Ich hab mich tatsächlich gefühlt, als sei mir mit den Worten ein Stein vom Herzen gefallen und im Gespräch hab ich dann alles von einer neuen Perspektive sehen können und seitdem mir die ganze Familiensituation viel transparenter erscheint, kann ich meine Rolle in der Familie mit viel mehr Verständnis und Bestimmtheit wahrnehmen. Ich kann also jedem, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, vor allem jedem Au-Pair oder zukünftigem Au-Pair ans Herz legen: Sagt, was euch stört und verbietet euch nicht selber den Mund. Es gibt immer eine Lösung, aber nur wenn allen Beteiligten das Problem bewusst ist. Letztendlich ist dann wenig später auch wirklich der Alltag eingekehrt (Nachdem meine Gastmutter sich in der sündhaft teuren Kindertagesstätte mit Nachdruck über das Chaos beschwert hat und ihr dann gesagt wurde, ich hätte aufgrund meiner weniger profunden Italienischkenntnisse alles missverstanden; die Eingewöhnungsphase sei ab dem Folgetag beendet - ACHSO! Dass „presto“ nicht „morgen“ bedeutet, krieg’ ich gerade noch auf die Reihe!) und ich beginne mich in Mailand richtig einzuleben. Momentan bin ich viel mit Freunden raus. Wir verbringen tolle Abende und Nachmittage. Es lässt sich mit Leuten aus fremden Kulturen in einer fremden Kultur so unglaublich viel Spaß haben, dass ich oft genug denke, ich möchte diese Abende nie wieder hergeben müssen. Mein Englisch hat sich jetzt schon krass verbessert und das obwohl man in Italien italienisch spricht. Der Grund ist, dass man immer mit Leuten zusammenkommt, die aus anderen Ecken der Welt kommen (Ich finde hier auch kaum deutsche Au-Pairs, obwohl ich weiß, dass es viele davon gibt) und da wird verständlicherweise auf Englisch kommuniziert. Viele von den Leuten sind zudem englische Muttersprachler. Es ist meiner Meinung nach, wenn man hinauszieht, um eine Sprache zu lernen, sehr viel empfehlenswerter in ein nicht-englischsprachiges Land zu gehen: Englisch sprechen und verbessern wir sowieso. Englisch ist die wohl einfachste Sprache der Welt. Englisch haben wir schon jahrelang intensiv gelernt. Da ich momentan so viel unterwegs bin, gibt es viel weniger Zeit, sich abends hinzusetzen und italienisch zu lernen. Das habe ich in den ersten vier Wochen im Urlaub viele Stunden gemacht. Ich bin ohne jegliche Sprachkenntnisse hierhin gekommen und kann nun schon ein bisschen kommunizieren, vor allem das Verstehen der Fremdsprache geht unglaublich schnell voran. Wenn man sich in der Sprachschule einschreiben will, ist ein Sprachtest obligatorisch: Ich hatte erwartet, ich würde Level 0 zugeordnet. Jahrelanger Französischunterricht und Grammatikpauken hatte aber einen anderen Effekt. Mit etwas Angst und einem mulmigen Gefühl im Bauch fängt für mich Freitag nun der Sprachkurs auf einem meiner Meinung nach viel zu hohen Niveau an. Ich hoffe, dass ich daran nicht kläglich scheitern werde.
- mit ein paar Freunden mit dem Auto irgendwo hinfahren und Musik hören!
- Abende in Jogginghosen mit Freunden zu Hause! (kaum einem Au-Pair ist es gestattet Freunde zu Hause zu haben)
- leere Straßen und verlassene Feldwege zum Spazieren, Joggen oder einfach nur Rumhängen ganz ohne Großstadtrubel
- Pünktlichkeit (Luisa (meine deutsche Freundin) und ich sind meist die einzigen die zum abgemachten Zeitpunkt aufkreuzen!)
- meine Freunde und meine Familie: Es lässt sich in wenigen Wochen nicht das ersetzen, was man über Jahre aufgebaut hat.
- immer noch das gute deutsche Brot!
- Sport! - Wegen des ganzen Stresses habe ich es immer noch nicht geschafft, mich im Fitnessstudio anzumelden. Der Punkt wird aber bald abgehakt.
A presto
Henny
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